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Demokratie braucht Meinungsfreiheit – Monopol der Konzerne muss dafür aufgebrochen werden: Forderungen aus der Matinee zum Tag der Deutschen Einheit

Mit einem eindringlichen Appell zur Begrenzung der Macht globaler Digitalkonzerne hat der Medienwissenschaftler Prof. Dr. Martin Andree die Gäste der feierlichen Matinee zum Tag der Deutschen Einheit in der BadnerHalle aufgerüttelt. Unter dem Titel „Wie die Tech-Konzerne die freien Medien zerstören“ zeichnete Andree ein düsteres Bild der digitalen Gegenwart – und zugleich konkrete Wege aus der Krise.

Zur Matinee geladen hatten traditionell die Stadt Rastatt und Oberbürgermeisterin Monika Müller. Das Vocalensemble Rastatt, geleitet von Prof. Holger Speck und begleitet von Gryta Tatoryte am Klavier, setzte musikalische Akzente und würdigte mit Werken Rastatter Komponistinnen das kulturelle Erbe der Stadt.

In ihrem Grußwort erinnerte Müller an die Bedeutung von Freiheit, Demokratie und Zusammenhalt – Werte, die auch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung täglich neu verteidigt werden müssten. „Einheit und Miteinander entstehen nicht von selbst. Es braucht Menschen, die dafür einstehen – früher wie auch heute“, betonte Müller. Im Hinblick auf das Thema des Gastredners machte die Oberbürgermeisterin deutlich: „In einer Welt, in der digitale Medien unsere Wahrnehmung von Wahrheit beeinflussen, ist es wichtiger denn je, dass wir Meinungsvielfalt als Bereicherung verstehen.“

Zugleich rief sie dazu auf, die Risiken sozialer Medien ernst zu nehmen: „Während wir bei Naturkatastrophen oder Krankheiten auf Prävention setzen, fehlt uns dieses Bewusstsein im Umgang mit digitalen Gefahren.“ Ihre Botschaft an die Gäste: Demokratie lebt von Wachsamkeit – aber auch von Zuversicht und Vertrauen.

„Big Tech“ bedroht freie Medien und politische Vielfalt

Prof. Dr. Martin Andree, Privatdozent an der Universität zu Köln, zeigte im Anschluss anhand seiner Forschungsergebnisse, dass die journalistische und wirtschaftliche Macht im Internet in den Händen weniger Digitalkonzerne liege. Nahezu der gesamte weltweite Internetverkehr werde von wenigen Anbietern kontrolliert – allen voran Google mit Youtube, Meta, Amazon und Apple. „Das freie Internet wurde faktisch bereits abgeschafft. Die Tech-Konzerne haben es geschafft, Inhalte in Silos hochzuladen und alle anderen abzuschotten“, warnte Andree. Jeder bediene die Plattformen kostenlos, weil sich dort alle tummelten. Wer nicht mitspiele, lande auf dem „Friedhof der Bedeutungslosigkeit“. Das habe zweierlei zur Folge: Zum einen verlören redaktionelle Medien an Finanzierungsgrundlage. Zum anderen kontrollierten US-Plattformen monopolistisch die politische Öffentlichkeit.

Während früher Abschlüsse, Titel, Ämter oder Preise Personen eine demokratische Legitimation verliehen hätten, seien es heute Likes, Shares und Views – häufig erzeugt durch Hass und Hetze – aber auch die Darstellung privater Inhalte, die nichts mit der fachlichen Kernkompetenz zu tun hätten. Andree sprach in diesem Zusammenhang von einer „digitalokratischen Legitimation“.

Einfache Maßnahmen könnten Monopolstellung der Tech-Konzerne stoppen

Trotz der düsteren Analyse zeigte Andree Lösungswege auf. Mit einfachen Maßnahmen ließe sich die Entwicklung umkehren. So sollten Links, die etwa von Instagram auf einen „Spiegel“-Artikel leiteten, tatsächlich auch auf die Primärseite führen und nicht bei Instagram bleiben. Auch sollten Verbreitungsweg und Inhalt wirtschaftlich voneinander getrennt werden und es sollte ein Verbot für die Monetarisierung strafbarer Inhalte geben. Zudem plädierte Andree für eine Obergrenze von 30 Prozent Marktanteil für digitale Medien.

In seinen Schlussworten zog Andree einen bildlichen und zugleich historischen Vergleich: „Wir sind wie ein Vogel, der sein Leben in einem Käfig verbracht hat und keine Vorstellung von der Welt außerhalb des Käfigs hat. Aber: Wir haben es geschafft, Deutschland nach dem Nazi-Regime und auch nach der DDR wieder aufzubauen. Wir sollten daher mutig sein und den Käfig verlassen.“

Am Ende der Matinee setzten die Gäste und das Vocalensemble Rastatt mit dem gemeinsamen Singen der Nationalhymne ein Zeichen für die Werte, die auch 35 Jahre nach der Deutschen Einheit verbinden: Einigkeit und Recht und Freiheit.

Prof. Dr. Martin Andree auf der Bühne
Vocalensemble Rastatt auf der Bühne
Oberbürgermeisterin Monik Müller bei Ihrer Rede
Oberbürgermeisterin Monika Müller auf der Bühne
Oberbürgermeisterin Monika Müller und Bürgermeister Raphael Knoth
Blick ins Publikum
Blick ins Publikum
Prof. Dr. Martin Andree auf der Bühne
Blick ins Publikum
Vocalensemble Rastatt auf der Bühne
Prof. Dr. Martin Andree beim Eintrag ins Gästebuch
(Erstellt am 06. Oktober 2025)